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Nicht zu knacken

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Schönes Geschenk: Wir freuen uns über eine einmalige Kryptografie-Sammlung – darunter auch ein äußerst seltenes Exemplar der berühmten „Enigma“. Von Gerrit Faust Spätestens seit dem Film „The Imitation Game“ ist die Chiffrier-Maschine weltberühmt: die „Enigma“, mit der das deutsche Militär während des Zweiten Weltkriegs seine Nachrichten verschlüsselte. Eine der seltensten und wertvollsten Enigmas ist das Herzstück der einmaligen Kryptografie-Sammlung von Dr. h. c. Klaus-Peter Timmann, die an das Deutsche Museum übergeben wurde.###MORE### Es ist eine „Enigma M4“ – eine Marine-Chiffriermaschine, die auf den deutschen U-Booten im Einsatz war. Lediglich rund 150 Exemplare überlebten den Zweiten Weltkrieg, nur eine Handvoll befindet sich weltweit in Museen. Als 2015 eine solche Maschine in New York versteigert wurde, zahlte ein Privatsammler dafür 365 000 US-Dollar. Ein Exemplar dieser seltenen Chiffriermaschinen ist Teil der beeindruckenden Privatsammlung von Dr. h. c. Klaus-Peter Timmann (1940 – 2002), die jetzt ihren Weg ins Deutsche Museum gefunden hat. Sie besteht aus Kryptografie-Maschinen unterschiedlichster Herkunft – zum Teil mit einem „unknackbaren“ Code. Außerdem dabei: das erste gedruckte Kryptografie-Buch überhaupt von 1564, ein Kryptografie-Telefon russischer Herkunft - das angeblich Erich Honecker selbst benutzt hat - und Verschlüsselungs-Geräte von Timmanns Firma TST. Darunter ist auch ein Spionagekoffer, der auch aus einem James-Bond-Film stammen könnte. Chiffrierterminal DDT 300 U7 im Aluminiumkoffer und Miniatur-Codierer APT 60 im Zigaretten-Etui um 1978 , TST Tele Security Timmann, Pöcking. Mechanische Chiffriermaschine Kryha Standard um 1924, Alexander von Kryha, Berlin. Das edle Design verbirgt einen simplen Verschlüsselungsalgorithmus: Der Erfinder Alexander von Kryha überschätzte seine kryptologischen Fähigkeiten. Durch geschicktes Marketing wurde seine Chiffriermaschine dennoch bekannt. Im Inneren befindet sich ein interessanter Federmechanismus, der sich wie ein Uhrwerk aufziehen lässt. Keyboard B-62. 1954, Rudolf Hell, Kiel nach Boris Hagelins Patent der CX-52. Das elektrisch betriebene Keyboard B-62 erleichterte die Bedienung und verbesserte den Verschlüsselungsalgorithmus durch ein zusätzliches Steckerbrett. Krypto-Telefon P-171D-ATS um 1970, Telta, Perm. Dieses Telefon der russischen Firma Telta wurde in der ehemaligen DDR genutzt, um vertrauliche Gespräche zu führen – angeblich von Erich Honecker persönlich. Baugleiche Apparate nutzte der KGB. Üblich waren auch Varianten ohne Wählscheibe, die direkt mit dem Hauptquartier verbunden waren. Elektromechanische Rotor-Chiffriermaschine H-54. 1954, Rudolf Hell, Kiel nach Boris Hagelins Patent der CX-52. Ein zugelassener Nachbau der Chiffriermaschine CX-52, aber robuster und einfacher zu bedienen: Die H-54 wurde in den 1950er Jahren für die Deutsche Bundeswehr produziert. Als besonders praktikabel galten das Ersatzteillager im Deckel sowie das Fach für Druckerpapier im Boden der Maschine. Marion Winkelbauer, die Witwe des Sammlers Timmann, hat sich dafür eingesetzt, dass das Deutsche Museum die Sammlung bekommt. Besonders gern erzählt sie über die Exponate, die von der Firma ihres früheren Mannes stammen. „Der Spionage-Koffer ist von außen ein ganz normaler Samsonite-Koffer, der an einem Flughafen nie aufgefallen wäre – aber er hat ein beeindruckendes Innenleben. Und das zugehörige Verschlüsselungs- und Übermittlungsgerät passt in ein schwarz-ledernes Zigaretten-Etui. Ich habe es selbst ausprobiert. Ich habe meinem Mann, der sich damals gerade im Frankfurter Raum befand, von der Telefonzelle in Possenhofen eine verschlüsselte Botschaft geschickt. Ich kann mich sogar noch an den Wortlaut erinnern: ,Es war heute wenig Wind am See.‘ Und die Botschaft kam an.“   Die Geräte funktionierten über einen Akustik-Koppler. So berichtet Marion Winkelbauer, wie ihr Mann ein Gerät, das in Afrika Dienst tat, per Fernwartung wieder zum Laufen brachte: „Er hatte die Programmierung auf ein Tonband übertragen, und schickte sie per Telefon auf das Chiffriergerät – das dann prompt wieder funktionierte.“ Das war Anfang der 1980er Jahre – als so etwas wie eine Fernwartung für Computer noch kaum vorstellbar war.

Timmann war ein leidenschaftlicher Erfinder. „Unsere Hochzeitsreise führte nach Hamburg, weil er einen Drehzahlmesser ausprobieren musste, den er entwickelt hatte und verkaufen wollte“, erzählt Marion Winkelbauer. Später verkaufte er Funkgeräte für einen bekannten Mobilfunk-Konzern. Als die Kunden zu  der Funktechnik auch eine Verschlüsselung der Inhalte wünschten, begann er an entsprechenden Techniken zu arbeiten und eigene Geräte anzubieten. „Erst hat er am Esszimmertisch gearbeitet“, erinnert sich Marion Winkelbauer. „Danach musste der Heizöltank aus dem Keller weichen, um mehr Platz für seine Erfindungen zu schaffen.“ Ab 1970 produzierte die Firma Verschlüsselungsgeräte. Die Hälfte des Jahres war Timmann irgendwo auf der Welt unterwegs, um seine Geräte zu verkaufen. Und er bediente sich dabei schlagkräftiger Argumente: Als er einmal im Ausland gefragt wurde, wie robust seine Geräte denn seien, schleuderte er eins davon quer durch den Raum. Und als es danach immer noch funktionierte, war der potenzielle Käufer überzeugt.

Wer die Kunden ihres Mannes waren, verrät Marion Winkelbauer nicht. „Darüber spricht man in dieser Branche nicht.“ Und daran hält sie sich, obwohl die Firma nach dem Tod Timmanns verkauft wurde und heute nicht mehr besteht. Sie verrät nur so viel: „Die Maschinen kamen beim Auswärtigen Amt, beim Militär, bei Geheimdiensten und Firmen weltweit zum Einsatz.“
Der Rest ist geheim. Verschlüsselte Botschaften Kryptologie-Experte Lars Larsson erklärt die Rotor-Chiffriermaschine HC-9 der schwedischen Firma Transvertex. Das Kryptografiergerät ist Teil der Sammlung von Klaus-Peter Timmann, die im Mai 2017 dem Deutschen Museum gestiftet wurde. Herzlichen Dank an die Familie Winkelbauer/Timmann! Weitere Informationen
  • Kryptologische Geräte und Maschinen in der Ausstellung Informatik
  • Mehr zur Enigma
Gerrit Faust leitet die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Museums. Nach seinem Journalistmus-Studium hat er bei verschiedenen Tageszeitungen gearbeitet. Zuletzt war er Chef vom Dienst bei der Abendzeitung.

Sein Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum: Vom höchsten zum tiefsten Punkt des Museums. Die Show im neuen Planetarium ist nämlich himmlisch. Und dann - mit beliebig vielen Zwischenstationen - ab in die Tiefe. Denn die Atmosphäre im Bergwerk ist einfach zutiefst bewegend.

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